HYMNE AN DEN STAU
Oh du,
der du uns die Weite des Raumes erahnen lässt,
die Unendlichkeit des Universums,
in hoffnungsvollem Ersten-Gang-Getucker
über ach so profan-irdischen Asphalt!
Oh du,
der du uns die Substanz der Zeit zu genießen gönnst,
in all ihrer Dichte und komplexen Fülle,
zuvörderst bei allsommerlicher Urlaubsfahrt
in Hallelujas auf dem Hintersitz!
Oh du,
der du sie uns alle wieder bestaunen lehrst,
die Anmut und Vielfalt von Gottes Schöpfung,
Federwolke für Federwolke,
Hain für Hain - ja, Ähre für Ähre!
Oh du,
der du uns, dieser Spezies Rudeltier,
Beharrsamkeit, Stolz und Willenskraft verleihst
trotz allem & unbeirrt & immer wieder
irgendwo irgendeinem Rudel die Ehre zu erweisen!
Oh du,
der du unser soziables Wesen neu entfachest
von interaktiver Glück-auf-Geste
bis Plausch und Small-Talk
mit den auf ewig getreuen Nebenspurlern!
Oh du,
der du uns befreiest aus der Hast der Hektik,
aus dem Würgegriff des Alltags
hin zur meditativen Stille,
zur existentiellen Sinnfrage:
Wer-bin-ich? und Wo-denn-nun-überhaupt?
Oh du,
der du uns hier und jetzt
in der Gnade der richtigen Richtung geleitest,
bleiben doch der Gegenfahrbahn
all diese Privilegien, diese Gourmandisen
des Auf-Erden-Daseins versperrt und verwehrt ...
KREUZPUNKT IN ABSURDISTAN
Die
Welt
rotiert
dem
Uhrzeigersinn
entgegen -
ja,
und
deswegen
sitzt
sie
allabendlich
bei
mir
in
Buslinie 12,
diese
Japanerin
mit
ihrer
Morgenstulle
TRITTBRETTFAHRER
Und der Lockenwickler
kommt vom Flohmarkt ins Museum,
hat er doch prominente Locken
gelockenwickelt.
Und der Staubwedel
will einen Prof. Dr. Mag. phil.,
hat er doch auf Instituten gewedelt
und auf Akademien gestaubt.
Denn auch das säuisch-vulgäre
„Er-kann-mich-im-Arsche-lecken“
arrivierte dank Götz von B. und Goethe
zur geflügelten Hochliteratur.
... ABER ER BÖRSELT
(bzgl. „Gott würfelt nicht“ / A.
Einstein)
Und Gott
kam,
sah,
sprach einige Sünden frei
- nur ein paar klitzekleine -
und der Aktienkurs des Lebens
überschüttete ihn
mit steigenden Dividenden.
TRILOGIE DES DICHTERS
1.
Non-Event
Erdichtetes hab ich
gesichtet
gewichtet
gerichtet
verdichtet
gelichtet
und saß am Ende
wieder vor dem weißen Blatt
2.
Poet erster Klasse
Hat er einen Sinn – fehlt ihm der Vers
Hat er einen Vers – fehlt ihm die Form
Hat er eine Form – fehlt ihm das Metrum
Hat er ein Metrum – fehlt ihm der Reim
Hat er einen Reim – fehlt ihm der Sinn
So probiert er immer wieder
und legt dann den Bleistift nieder
3.
(.....)
FÜR DEN NABEL DER WELT ...
... ach ja, da hält
manch einer sich – dennoch
passt dieses poetische Bild mit Loch
von hinten gesehen
(wenn Sie mich verstehen)
am besten doch!
ABENDLIED
(Matthias Claudius - 1779)
Der Mond ist aufgegangen,
Die gold'nen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt. (....)
So legt euch denn ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon' uns, Gott! mit Strafen
Und lass' uns ruhig schlafen!
Und uns'ren kranken Nachbarn auch!
GERICHTSVOLLZIEHER-LIED
(nach „Abendlied" / Matthias Claudius
Mein Geld ist ausgegangen,
Die Mahnungen, sie prangen,
Im Briefschlitz klipp und klar –
Das Haus steht starr und schweiget,
Und aus den Treppen steiget
Der Pleitegeier und will bar.
Wie ist die Welt so stülle
Und in der Leere Hülle
Mir so vertraulich-hold!
Drum sucht in meiner Kammer,
Was ihr bei all dem Jammer
Gerichtlich noch vollziehen wollt.
Da staunt ihr denn, ihr Brüder,
Und kratzt die Kurve wieder,
Von Bimbes nicht ein Hauch -
Verschon’ mich, Gott! mit Strafen
Und lass’ den Kuckuck schlafen
Und meine leeren Konten auch!